Interview mit Gerald Feig, Gründer und Geschäftsführer, FLEX Fonds Capital GmbH

Herr Feig, ist der Lebensmitteleinzelhandel der große Gewinner der Corona-Krise?

Nein. Dieses Virus hat keine Gewinner, das wäre zynisch. Und ich habe den größten Respekt vor dem, was die Verkäuferinnen und Verkäufer und die Logistik dahinter derzeit leisten, leisten müssen. Aber es stimmt: Wieder einmal zeigt sich – so deutlich wie nie zuvor –, was ich seit mehr als 30 Jahren sage: Der Lebensmitteleinzelhandel ist gemeinsam mit dem Wohnen das mit Abstand krisenfesteste Immobilieninvestment. Und damit meine ich nicht diese Hamsterorgien der vergangenen Tage: Ein großer Teil der Rekordumsätze wird sich als Strohfeuer entpuppen, denn die gefüllten Kühlschränke, Vorratskammern und Keller werden jetzt erstmal langsam geleert, vor allem wenn das Virus einmal besiegt ist. Vielmehr meine ich, dass die Menschen auch in Krisenzeiten Lebensmittel und andere Dinge des täglichen Bedarfs brauchen – und sich weiterhin hauptsächlich im Supermarkt oder Fachgeschäft wie Bäcker und Metzger damit versorgen. Das macht den Lebensmitteleinzelhandel krisenresistenter als andere Einzelhandelsbereiche, von Hotellerie und Gastronomie gar nicht zu sprechen.

Aber könnte es nicht sein, dass der eine oder andere Verbraucher jetzt die Lieferdienste ausprobiert, für sich entdeckt – und auch nach der Krise lieber online einkauft? Die Folge könnte sein, dass der stationäre Lebensmittelhandel dieselben Probleme mit dem Online-Handel bekommt wie andere Handelsbereiche.

Ich glaube, das Gegenteil wird der Fall sein: Durch die Krise steigt die Wertschätzung für den stationären Einzelhandel noch mal an. Für viele Menschen ist es derzeit der einzige Ort außerhalb ihrer Wohnung, wo sie noch hingehen können und anderen Menschen begegnen. Das wird im Gedächtnis bleiben. Und was die Lieferdienste betrifft: Ja, die werden jetzt von vielen Verbrauchern ausprobiert. Und viele stellen enttäuscht fest, dass sie mit Lieferzeiten von mehreren Tagen und hohen Kosten rechnen müssen. Dann geht man halt doch lieber wieder kurz in den Supermarkt um die Ecke, wo man sich die Äpfel wenigstens noch selbst aussuchen kann.

Wird die Corona-Krise also spurlos am Lebensmitteleinzelhandel vorüberziehen?

Nicht ganz. Ich erwarte, dass sich bestimmte Verhaltensmuster ändern werden. Die Kunden werden sich daran gewöhnen, auch in Zukunft mehr Abstand zum Vordermann zu halten – mit der Folge, dass die Schlangen an den Kassen länger werden. Die Leute werden stärker auf Hygiene achten, manche zum Beispiel Einweghandschuhe tragen. Und Kartenzahlungen werden zunehmen, vor allem kontaktlose, weil sie hygienischer sind als Bargeld. Aber dass die Leute in Scharen den stationären Lebensmittelhändlern fernbleiben und den kurzen Feierabendeinkauf oder den großen Wocheneinkauf künftig online erledigen, erwarte ich nicht. Dafür ist der Vorteil des Online-Kaufs einfach nicht überzeugend: Er ist weder preisgünstiger noch schneller noch bequemer. In den Städten gibt es an jeder Ecke einen Supermarkt, und auf dem Land wiederum gibt es (zumeist) keinen Lieferdienst. Von der logistischen Herausforderung – Stichwort Kühlketten – ganz zu schweigen.

Die Menschen werden durch die Krise jetzt also nicht auf den Geschmack kommen, sich zu Hause einzuigeln und alles online zu bestellen?

Ganz im Gegenteil: Wenn dieser Corona-Hausarrest einmal beendet ist, wird es niemanden mehr in seiner Wohnung halten. Alles, was bisher als selbstverständlich galt und nun schmerzlich vermisst wird, wird bewusst und in vollen Zügen genossen. Hoffen wir, dass dieser Ausnahmezustand nicht mehr allzu lange andauert. Bis es so weit ist, hilft uns der Lebensmittelhandel als Konstante durch diese schwierige Zeit.

Dieses Interview ist ursprünglich im PB3C-Sondernewsletter 2/2020 erschienen. Den vollständigen Newsletter finden Sie hier.